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Bildmeditation: Das Himmelreich gleicht einem Schatz

Michael Rother

1. Sept. 2024

Predigende Bilder

Das Gleichnis vom Himmelreich und dem Schatz im Acker … eines von mehreren Gleichnissen, die Jesus verwendet, um seinen Jüngern eine Vorstellung zu geben, was der Unterschied zu einem irdischen Reich ist, das wohl alle gut genug kennen. Also irgend eine abstrakte Dimension dort oben … oder doch nicht da oben? Wie sieht dieses Reich aus und ist Gott der Herrscher?


Matthäusevangelium 13, 44 – 46: Das Himmelreich gleicht einem Schatz, verborgen im Acker, den ein Mensch fand und verbarg; und in seiner Freude geht er hin und verkauft alles, was er hat, und kauft den Acker. Wiederum gleicht das Himmelreich einem Kaufmann, der gute Perlen suchte, und da er eine kostbare Perle fand, ging er hin und verkaufte alles, was er hatte, und kaufte sie.

Was geschieht in diesem Gleichnis? Da geht ein Mensch über einen Acker, der nicht sein eigener ist und man fragt sich sofort, warum ist er auf diesem Gelände unterwegs, das ihm nicht gehört? Warum trägt er außerdem einen Spaten bei sich, da steckt ja eine Absicht dahinter. Nun entdeckt er eine Stelle im Acker, die augenscheinlich sich von dem Umfeld unterscheidet. Dort beginnt er zu graben und findet einen Schatz. In jener Zeit, als man die Wertgegenstände noch nicht in Banktresoren sicherstellen konnte, war es durchaus nicht unüblich, wertvolle Gegenstände zu vergraben. Vielleicht waren diese Kostbarkeiten von der gegenwärtigen Familie in Vergessenheit geraten, aber es ist nur verständlich, dass dieser Schatzfinder alles tut, um diesen Schatz - Edelsteine,  Gefäße aus wertvollen Materialien und andere Dinge -  in seinen Besitz zu bringen. Dass er alles veräußert, was er besitzt, um diesen Acker zu erwerben, ist nur verständlich. Und er hat Glück bei allem.


Aus unserer Kindheit kennen wir alle wahrscheinlich dieses Spiel der Schatzsuche, das so spannend ist und soviel Spaß macht, wenn man am Ende als Schatz vielleicht ein Spielzeug oder eine Tafel Schokolade findet. Das war Freude pur ... damals! Gibt es so etwas heute noch? Mit anderen Wertgegenständen? Und ist der junge Mensch vielleicht bereit zu teilen, die Freude und den Schatz?


Das Wort Schatz bezeichnet einen kostbaren Besitz oder wertvollen Fund. Dies kann ein konkreter Gegenstand sein oder es sind mehrere Objekte, es können aber auch abstrakte Erscheinungen sein.


Ich denke auch an andere irdische Schätze, die aber für mich eine Gottesgabe darstellen. Hier ein paar Beispiele:


Ich war noch vor Kurzem auf der Kanareninsel La Palma, die mich immer wieder begeistert. Ich habe an einem Wochenende mehrere Wanderungen im Gebirge gemacht und bin eingetaucht in diese vielfältigen Formen der Landschaft und Vegetation, die noch ganz ursprünglich sind und habe mehrfach verweilt, um diesen Teil der Schöpfung Gottes in mich aufzunehmen.

Fotos: Cumbre Nueva La Palma, Michael Rother

Diese Natur ist für mich ein Schatz, und jeder entdeckte Schatz fordert auf zu handeln, in diesem Fall sich dafür einzusetzen, dass die Natur - Flora, Fauna, Klima - wichtige Lebensgrundlage für die Menschheit - nicht stetig zerstört wird, sondern geschützt und bewahrt wird.


Wenn jemand im Leben das Glück gehabt hat, einen Menschen zu finden und durch Sympathie und Vertrauen eine Freundschaft zu begründen, also ein auf gegenseitiger Zuneigung beruhendes zwischenmenschliches Verhältnis zu gestalten, dann ist das für mich auch eine Gabe Gottes.

Ölgemälde: “Friendship“, William Herbert Allen (1880-1943)

Im Buch Sirach finden wir folgende Zeilen: 

Ein treuer Freund ist ein starker Schutz; wer den findet, der findet einen großen Schatz. Ein treuer Freund ist nicht mit Gold aufzuwiegen, und sein Wert ist nicht hoch genug zu schätzen. Ein treuer Freund ist ein Trost im Leben; ihn findet, wer den Herrn fürchtet.

Wer mich kennt, den wird es nicht verwundern, dass auch die Musik für mich ein Schatz ist, ein Stück Himmelreich auf Erden. Nur wir Menschen haben die Fähigkeit erhalten, mit unserer Stimme und dem Bau von Instrumenten Wohlklingendes, Erbauliches und Verbindendes zu schaffen. Das Gedicht

Wer sich die Musik erkiest, hat ein himmlisch Gut bekommen, denn ihr erster Ursprung  ist von dem Himmel her gekommen. Weil die lieben Engelein selber Musikanten sein!

wird Martin Luther zugeschrieben und ist mehrfach vertont worden. Luther hat die Musik selbst als überirdische Macht erkannt, die ein wesentliches Element seiner Reformation gewesen ist.


Die große Bedeutung vom Einsatz der darstellender Kunst und Musik bei der Evangelisierung der Menschen in der Chiquitanía, den sogenannten Jesuitenmissionen, in den Jahren von 1696 bis 1790, genannt sei nur Martin Schmid, kann jeder, dank der hervorragenden Restaurierungen ab 1972, in Augenschein nehmen.

Holzrelief: Engel aus der Chiquitanía, anonymer Kunsthandwerker, Foto: Michael Rother

Neben der Musik möchte ich auch auf keinen Fall die Sprache vergessen, die großartige Werke der Literatur hervorgebracht hat und die es uns ermöglicht, Gedanken, Empfindungen, Überzeugungen zu übermitteln, auch eine Gabe Gottes, die wir mit Verantwortung nutzen sollten.

Ölgemälde: „Christus am Kreuz“, David Teniers der Jüngere, 1829

Bei vielen Gleichnissen, die uns die Bibel überliefert, ist der Handelnde Gott selbst, der Hirt, der das verlorene Schaf sucht, die Frau mit der verlorenen Drachme oder der barmherzige Vater, der Königssohn oder der Weinbergbesitzer: Immer wird Gott durch die Gleichnisse charakterisiert. Wie ist es hier in diesem Gleichnis?


Ist es denkbar, dass Gott selbst derjenige ist, der auf der Suche nach einem Schatz ist und dieser Schatz ist der Mensch. Der verlorene Mensch, der zu ihm zurückfindet, ihm vertraut, seinen Vorstellungen folgt, ist das der Schatz im Acker? Die Welt ist der Acker und der Mensch ist der Schatz?

Bei Johannes finden wir die Worte

Denn Gott hat die Welt so sehr geliebt, dass er seinen einzigen Sohn hingab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht verloren geht, sondern ewiges Leben hat.

Hat also Gott das Wertvollste geopfert, seinen eigenen Sohn am Kreuz, um den Menschen für sich zu gewinnen?


Foto: „Sonne durchbricht die Wolken“, Harmut Kamper 2016

Bei diesen Gleichnissen ist es für mich wichtig, dass das Entscheidende das Finden ist und nicht das Suchen. Suchen ist immer unbequem, langwierig und ärgerlich („Wo habe ich nur wieder meinen Schlüssel liegen gelassen“) oder die Suche nach einem gut bezahlten und sicheren Arbeitsplatz hier in Bolivien. Glaube - Liebe - Hoffnung, das waren schon bei Paulus die zentralen christlichen Tugenden, die den Weg öffnen ins Himmelreich.    


Michael Rother aus Cochabamba hielt diese Bildmeditation am 28. 7. 2024 im Online Gottesdienst anstelle einer Predigt.


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