
Iglesia Evangélica Luterana de Habla Alemana (IELHA)
Evangelisch-Lutherische Kirche deutscher Sprache in Bolivien


Dorothea Frank
1. Juni 2025
Mir aber hat Gott gezeigt,
dass man keinen Menschen unrein nennen darf. Apg 10,28
Erkenntnisse kann ich auf verschiedene Weise gewinnen. Durch Nachdenken, Lesen und Ausprobieren. Auch indem ich mich einlasse auf eine Aufgabe oder eine Person und dabei lerne, mir zeigen lasse, was ich vorher noch nicht wusste. Davon erzählt eine Geschichte in der Apostelgeschichte. Aus ihr stammt der Monatsspruch für Juni:
Mir aber hat Gott gezeigt,
dass man keinen Menschen unrein nennen darf. Apg 10,28.
Solch neue Erkenntnis fällt nicht von einem Moment zum anderen vom Himmel. Sie braucht einen Weg. Petrus, einer der ersten Missionare und Prediger der jungen christlichen Kirche, wird durch eine Erscheinung an diese Erkenntnis herangeführt. Ein Tuch unreiner Tiere schwebt vom Himmel auf ihn zu. Unheimlich war das für ihn als Juden. Erst recht die Aufforderung: Schlachte und iss. Niemals. Das sind doch alles unreine Tiere. Von Kindesbeinen an hat Petrus gelernt, rein und unrein zu unterscheiden, um nicht schuldig zu werden. Aber eine Stimme vom Himmel weist ihn zurecht. Nenne du nicht unrein, was Gott für rein erklärt. Auf diese Weise wird eine Begegnung vorbereitet mit dem römischen Hauptmann Kornelius, der Petrus einlädt in sein Haus. Für Petrus ist das
eine Zumutung, ein absolutes no go, dass er als Jude das Haus eines Römers betreten soll. Aber sein Erlebnis mit den unreinen Tieren und der Stimme vom Himmel hat ihn vorbereitet auf Neues. Er geht, weil er sich von Gott gesandt weiß. Er übersteigt die Mauer von Tradition und Religion, die ihn trennt von den Angehörigen eines anderen Volkes, einer anderen Sprache und Kultur. Petrus hat in der Begegnung mit dem römischen Militär und seinem Gefolge eine neue Erkenntnis gewonnen. Die spricht er aus mit den Worten: Man darf keinen Menschen unrein nennen. Das hatte er getan, vielleicht auch nur gedacht. In der Begegnung mit Menschen, die er vorher meiden musste, um clean zu bleiben, kommt er zu einer neuen Erkenntnis. Und die, so sagt er, ist nicht auf seinem Mist gewachsen. Er bringt Gott ins Spiel und nimmt damit die höchste Autorität in Anspruch für seine neue Erkenntnis. Gott hat mir gezeigt.
Vielleicht gibt es auch in eurem Leben ähnliche Geschichten. Ihr gelangt zu einer Erkenntnis, bei der ihr ziemlich viel über Bord werfen müsst von
dem, was ihr bisher gedacht und geglaubt hattet. Ihr meintet zu wissen. Aber dann machtet ihr eine Erfahrung, die stärker war als die Tradition, die Urteile und Vorurteile, die ihr im Laufe des Lebens angesammelt habt. Jetzt weiß ich, sagen wir. Gott hat mir gezeigt, sagt Petrus. Für Menschen, die ihr Leben und alles was sie sind und haben, mit Gott in Verbindung bringen, hat eine solch neue Erkenntnis mit Gott zu tun. Zugleich ist sie eine Herausforderung, über Mauern zu springen und zu
wagen, die Füße auf immer weiteren Raum zu stellen.
Eine persönliche Bemerkung zum Schluss. Aufgebrochen aus dem Vertrauten und Gewohnten, sind wir berufen, im anderen, im Befremdenden und Fremden, Verbindendes zu entdecken. Meinen
Glauben erlebe ich dabei als Brücke zu Menschen, deren Wurzeln mir Geheimnis bleiben und deren Sprache ich nicht spreche. In vielen Teilen der Erde wurden mir Begegnungen geschenkt, die mich Verbundensein erleben ließen. Auch in unserer Zeit hier in Bolivien, die im Juni zu Ende
geht. Dieses Erleben trage ich wie einen unverlierbaren Schatz in meinem Herzen und bin tief dankbar dafür.