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Meditation zum Monatsspruch Oktober

Dorothea Frank

1. Okt. 2024

Die Güte des Herrn ist's, dass wir nicht gar aus sind, seine Barmherzigkeit hat noch kein Ende, sondern sie ist alle Morgen neu, und deine Treue ist groß. Klagelieder 3, 22 - 23 (L)

Da hat einer kapiert, was letztlich sein Leben trägt und erhält. Was Schutz bietet und jeden Tag einen neuen Anfang ermöglicht. Es ist Gottes Güte, seine Barmherzigkeit und Treue. Bis heute sind diese Worte aus Klagelieder 3 ein Trost und eine Ermutigung an Tagen ohne Hoffnung. Im 16. Jahrhundert ließ sich Johannes Zwick davon inspirieren, ein Morgenlied zu schreiben, EG 440. Wir singen es gerne am Anfang unseres Gottesdienstes.  

Die Klagelieder machen ihrem Namen alle Ehre. Das 3. Kapitel ist voll bitterer Gefühle und lebensbedrohender Erfahrungen. Es ist als habe da einer alles Unrecht und alle Gemeinheiten am eigenen Leib erlebt. Und das alles geht auf Gottes Konto, ihn klagt er dafür an. Hat er das Unheil nicht geschickt, so hat er es doch zugelassen, hat weggeschaut und nicht Partei ergriffen für den Bedrängten. Das bekommt er zu hören. Der Ankläger nimmt kein Blatt vor den Mund.

Und dann, wie aus heiterem Himmel, gibt es eine Wende. Es kommt mir vor, als ob der Ankläger spürt, dass er in der Flut seiner Vorwürfe und Anklagen zu ersticken droht. Er erkennt, dass er ohne Hoffnung nicht leben kann. Er will nach innen gehen und nachdenken. Die Hoffnung soll zurückkehren. Aus dem Erinnern wachsen diese Verse.

Nach innen lauschen, aufmerksam werden, ob es da nicht noch etwas anderes zu entdecken gibt als Unrecht, Gewalt und Tod. Dieses Andere sieht er in Gott. Der Vers spricht von dessen geschenkter Zuwendung, bedingungsloser Liebe und treuem Mitgehen. Anscheinend braucht es aber den Entschluss, worauf ich schauen will, worauf vertrauen und wovon mein Heute bestimmen lassen.

Eine Gefahr lauert hinter diesem tröstlichen und ermutigenden Satz: dass wir diese unverdiente Güte, das immer neu geschenkte Verzeihen und den täglich gewährten neuen Anfang als selbstverständlich nehmen. So als hätten wir ein Recht darauf. Dass wir uns hinreißen lassen zur Unachtsamkeit und Undankbarkeit und nicht mehr staunen und danken. Klug diese Entscheidung für eine Perspektive auf den Tag, die Gottes Güte nicht übersieht, die achtsam wahrnimmt, was trotzdem immer noch geht und die übers Staunen zum Danken kommt.

 

 

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