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Religionsvertreter aus aller Welt wollen "den Frieden wagen"

Christoph Strack

28. Sept. 2023

Presseerklärung der Bundesregierung der Bundesrepublik Deutschland – September 2023

Religionsvertreter aus aller Welt wollen "den Frieden wagen"


Die deutsche Hauptstadt war vom 10. bis 12. September ein Ort von religiösen Welt-Dialogen über alle Bekenntnisse und staatliche Grenzen hinweg. Die in Rom ansässige katholische Gemeinschaft Sant'Egidio lud zu ihrem 37. Internationalen Friedenstreffen, unter dem Motto "Den Frieden wagen". Diese Veranstaltung wurde von Sant'Egidio-Generalsekretär Cesare Zucconi als "ein großer Moment der Begegnung, des Dialogs" angekündigt. Denn heute brauche es den Dialog, das Lernen vom Anderen, auch das Verstehen der Unterschiede. Zucconi: "Das ist die große Herausforderung unserer Zeit: Wie können wir zusammenleben in den Unterschieden? Wie können wir den Dialog stärken? Und wie können wir stärker den Frieden wagen in einer Zeit, die so stark geprägt ist vom Krieg?"

Es kamen muslimische Imame, jüdische Rabbiner und Oberrabbiner, christliche Bischöfe, Metropoliten, Kardinäle, Patriarchen, Vertreter de Ev. Kirche Deutschland (EKD), buddhistische und hinduistische Repräsentanten nach Berlin.


Als junger Student gründete der Italiener Andrea Riccardi 1968 mit Freunden in Rom die Gemeinschaft "Sant'Egidio". Was als Idee von ein paar jungen Leuten im römischen Stadtteil Trastevere begann, hat heute nach eigenen Angaben gut 60.000 Mitglieder in mehr als 70 Ländern. Es ist eine katholische Friedensbewegung mit dem Anspruch politischer Vermittlungsarbeit auch in schwierigsten Konflikten. Größter Erfolg der Gemeinschaft war das 1992 erreichte Friedensabkommen für Mosambik, das damals im römischen Sitz der Bewegung unterzeichnet wurde und weltweit Aufsehen erregte. Gelegentlich engagieren sich Sant'Egidio-Akteure auch bei anderen Konflikten in Afrika als Vermittler. Und in Italien, mittlerweile auch in Frankreich, ist die Organisation dafür bekannt, dass sie in Absprache mit den staatlichen Stellen mittlerweile tausende Menschen, meist syrische Familien mit Kindern, aus Flüchtlingslagern des Nahen Ostens in beide Länder geholt hat und bei deren Integration hilft.  Den Anstoß für die jährlichen Friedenstreffen gab Papst Johannes Paul II., der im Jahr 1986 die Religionen der Welt nach Assisi einlud. Daran knüpft Sant'Egidio Jahr für Jahr an. Und von Beginn an waren die Treffen interreligiös ausgerichtet.


"Religionen können Anlass zu Konflikten sein", sagt Zucconi. "Aber wenn sie zu ihren Wurzeln gehen und authentisch sind, können sie friedensstiftend wirken. Da stehen sie in einer großen Verantwortung. Religionen bestehen natürlich aus Menschen, Menschen, die in ihrer Zeit leben, mit allen Herausforderungen." Zucconi versteht die Treffen und die langfristige Vernetzung als Impuls, damit die Religionen friedensstiftend arbeiten und "aus einer gewissen Selbstbezogenheit herauskommen". Es gehe darum, die gemeinsame Verantwortung mehr wahrzunehmen angesichts der Kriege in der Welt.


In seiner Ansprache bei dem Treffen erinnerte Bundeskanzler Olaf Scholz daran, dass die anwesenden Vertreter verschiedener Religionen sich immer wieder für den Frieden aussprachen, so wie der Großimam al-Tayyeb, der im Jahr 2019 gemeinsam mit Papst Franziskus erklärte, „dass die Religionen niemals zum Krieg aufwiegeln und keine Gefühle des Hasses, der Feindseligkeit, des Extremismus wecken und auch nicht zur Gewalt oder zum Blutvergießen auffordern“ dürfen. In den Reden des Bundeskanzlers und des Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier  bildete der russische Angriffskrieg und und das Recht der Ukraine auf Verteidigung den Schwerpunkt.


Am Schluss des Treffens versammelten sich die Repräsentanten der vielen Religionen nach Gebeten an getrennten Orten vor dem Brandenburger Tor. Dort, wo einst die Mauer verlief als Symbol der gewaltfreien Teilung, wollten sie ihre Verbundenheit demonstrieren – gegen jede Gewalt.


Freilich war dieses Treffen der verschiedenen Religionsgemeinschaften nicht nur von Einigkeit und Harmonie gekennzeichnet. Die orthodoxe Kirche Russlands war nicht eingeladen, aber der russisch-orthodoxe Bischof Tikhon saß im Publikum und durfte sprechen. Er beklagte die Verfolgung seiner Kirche in der Ukraine – ohne Gegenrede, nahm aber nicht Stellung zu den Kriegsverbrechen und die Zerstörung von Kirchgebäuden durch russische Angriffe.


Während dieses Treffen allgemein positiv beurteilt wurde, fragte ein Kommentator kritisch, wie es mit der konkreten Projektarbeit aussieht, in der verschiedene Religionsgemeinschaften zusammenarbeiten. Wo in Deutschland oder Mitteleuropa engagieren sich christliche, muslimische und jüdische Gläubige gemeinsam?

 

 


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