Iglesia Evangélica Luterana de Habla Alemana (IELHA)
Evangelisch-Lutherische Kirche deutscher Sprache in Bolivien
Esther Henning
18. März 2024
Die Passionszeit, Semana Santa und das Osterfest in Bolivien. Schon gewusst?
Osterfeuer, bunte Eier, Duft von Frühlingsblumen und Osterwitze – das alles gehört zu Ostern, dem Fest der Auferstehung Jesu, in Deutschland.
In Bolivien wird die Karwoche und das Osterfest von anderen Traditonen begleitet. Ich lade Euch ein auf eine kleine Reise durch Bolivien, um zu zeigen mit welchen Bräuchen die sog. Semana Santa hierzuort verknüpft ist. Die indigenen Kulturen haben dabei einen großen Einfluss auf die Traditionen in Bezug auf die Passionszeit und das Osterfest.
Die Festlichkeiten beginnen mit Prozessionen am Palmsonntag. Kunstvoll geflochtene Palmzweige in verschiedenen Größen erwerben die Bolivianer_innen an Palmsonntag, um sie in den Kirchen segnen zu lassen. Anschließend werden die Zweige über den Haustüren befestigt, um dadurch Schutz zu erbitten. Bis vor einigen Jahren band man die Palmzweige noch daheim zu Kreuzen, inzwischen gibt es Personen, die das Flechten der Palmzweige professionalisiert haben und ihre Kunstwerke auf den Straßen, vor den Kirchen verkaufen. Der Priestermangel in der katholischen Kirche in Bolivien ist groß. Vor allem auf dem Land. Daher werden werden Palmzweige nicht selten „nachgeweiht“ und die Osterkerze „vorgesegnet“.
Da viele Menschen in dem südamerikanischen Land das lange Wochenende nutzen in ihre Herkunftsdörfer zu fahren, sind Fußballturniere zwischen Großfamilien auf dem Land üblich. Zuvor werden sog. Ferias de ramos veranstaltet, um die überschüssige Ernte, Zuchttiere oder Vieh zum Schlachten zu verkaufen und Einnahmen zu generieren. Bleibt zu hoffen, dass die starken Regenfälle und Überschwemmungen in diesem Jahr nicht zu Ernteausfällen führen. Eine der größten Palmsonntagsmärkte findet am Río Seco in El Alto statt. Im Mittelpunkt stehen Kunsthandwerk und landwirtschaftliche Geräte. Das Angebot reicht vom Brotkorb aus Totora Schilf bis zum Kartoffelsack aus Schafswolle.
In Anlehnung an die 14 Stationen des Kreuzweg von Jesu besuchen gläubige Bolivianer_innen mit ihren Familien am Abend des Gründonnerstag nach der Fußwaschung und der Feier des letzten Abendmal 14 Kirchen, zünden Kerzen an, singen und beten. Das Zentrum von La Paz mit seinen kolonialen Kirchen ist dann bis weit nach Mitternacht proppenvoll. Den Kirchenmarathon machen sich auch Straßenverkäufer_innen zu Nutze, in dem sie Essen und warme Getränke anbieten, Devotionalien und Kerzen anpreisen.
In Gedenken an die 12 Aposteln, die Jesus begleiteten und von ihm beauftragt wurden, bereiten viele bolivianische Familien an Gründonnerstag 12 Gerichte ohne Fleisch zu und laden auch ihre Nachbar_innen zum gemeinsamen Mahl ein. Diese Tradition schafft Verbindungen, führt zu einer Gaumenfreude für alle Vegetarier_innen und fördert auch außergewöhnliche Zutaten wie Algen zutage.
In einigen Familien steht eine Schale Trauben auf dem Tisch, die auf Jesu Leiden und Sterben hin deuten, bei dem er sein Blut vergossen hat. Die karfreitäglichen Kleiderordnung sieht schwarz für die Kirchgänger_innnen vor. Populär ist es an Karfreitag zu dem Gipfelkreuz auf einen Kalvarienberg zu laufen. Die Tradition von Fußwallfahrten nach Copacabana (einstmals Zeremoniestätte der Inkas) wird auch heute noch von tausenden Bolivianer_innen gepflegt. Wer in El Alto aufbricht ist zwei bis drei Tage unterwegs. Alternativ kann man den Kreuzweg der Schönstattbewegung in Achumani beten, nach Obrajes pilgern oder einer Bußprozessionen von Laienbruderschaften (cofradías) beiwohnen. Karprozessionen gehören im übrigen zur ganzen Fastenzeit. Kreuze werden oft mit Blumen prunkvoll behangen. Im Anschluss werden. Kaktusfeigen in den Dörfern verschenkt und ausnahmsweise ist Alkohol kein fester Bestandteil dieser sozialen Zusammenkünfte.
In Oruro, bedeutendes Zentrum des Bergbaus und bekannt für seinen Karnevalsumzug, entstehen alljährlich an Karfreitag auf 3.700 m Sandburgen, um christliche Geschichten nachzubauen.
Ostern wir vielerorts mit Feuerwerk und Lärm gefeiert. Zum Osterfrühstück gehören heiße Schokolade und süßes Brot.
El Ceibo, die Kakao Kooperative mit eigener Schokoladenfabrik in El Alto, verkauft anlässlich des Osterfestes landesweit Dinoeier. Der bei uns so beliebte Schokohase bekommt in Bolivien also Gesellschaft von Dinosauriern im Nest. Die Süßwarenindustrie in Bolivien setzte übrigens lange Zeit allein auf Schaumküsse (beso de negro) als süße Verführung zum Fest.
Es ist kaum zu glauben, dass es so unterschiedliche Osterbräuche gibt, obwohl das gleiche Fest gefeiert wird. Eines haben aber alle Osterbräuche gemeinsam: Sie sind Ausdruck der Freude, eine willkommene Gelegenheit zum Feiern mit der Familie und Freund_innen sowie wertvolle Traditionen, die liebevoll von Generation zu Generation weitergegeben werden.